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Drei Generationen – Seniorchef, Tochter und Enkelin – arbeiten in der Bäckerei Weißgerber in Wallerstein zusammen: mit viel Herzblut, Sinn für Tradition und einem wirklich riesigen Verkaufsschlager.

50 Zentimeter Durchmesser – wer die Rieser Bauerntorte zum ersten Mal sieht, staunt nicht schlecht. Diese Spezialität gibt es nur im Ries, zum Beispiel bei der Bäckerei Weißgerber in Wallerstein, wo die hauseigene Tortentradition mit einer Liebesgeschichte beginnt. „Eigentlich hatte ich gar nichts mit der Bauerntorte zu tun“, verrät Seniorchef Willibald Weißgerber, der gerade ein Exemplar der Spezialität zubereitet. „Bis ich mit 16 dann eine Freundin aus dem Riesgehabt hab’...“ – „Meine Oma“, wirft Enkelin Lena Scherer ein. Die Fertigkeit in Sachen Bauerntorte hat die Jahrzehnte überdauert. Mit routinierten Bewegungen platziert der fast 80-jährige Bäckermeister den Teig, bestreicht ihn mit der Apfelmusfüllung und ritzt das Kornähren-Muster in den Deckel.

Die extragroße Spezialität begleitete schon unzählige Hochzeiten in der Gegend, lange bevor Willibald Weißgerber seine spätere Frau kennenlernte. „Es war die Torte der einfachen Leute“, weiß Lena Scherer. Obwohl die Zutatenschlicht waren, machte sie durch ihre Größe viel her. Neben Hochzeiten waren auch Familienfeste wie Taufe oder Konfirmation sowie Kirchenfeste Anlass, sie zuzubereiten. Aber wie bekamen die Rieserinnen das Riesending überhaupt gebacken? „Früher gab es im Dorf oft einen großen gemeinsamen Ofen, den Brotbackofen“, erklärt die Bäckerin. Die Frauenbereiteten die Torte zuhause vor und brachten sie dann zum Backen.

"Nichts ist typisch regional wie die Rieser Bauerntorte."

Lena Scherer

Keine Hochzeit ohne Bauerntorte

Als die wirtschaftliche Lage in den 1960ernbesser wurde, kam die schlichte Bauerntorte aus der Mode. Inzwischen steht sie aber wieder hoch im Kurs. „Jedes Brautpaar, das bei uns eine Hochzeitstorte bestellt, bestellt sie mit, weil’s einfach dazugehört“, erzählt Lena Scherer. Viele ältere Kunden, berichtet sie, bringen zum Abholen sogar ihren eigenen „Zelterdeckel“ mit, ein rundes Holzbrett mit Griff, das genau die richtige Größe hat. Ungefähr 30 Rieser Bauerntorten werden in der Bäckerei Weißgerber jede Woche gebacken, wobei die Hochsaison im Herbst liegt, wie Lena Scherer erklärt: „Früher gab es sie typischer Weise zur Kirchweih, weil man da das Apfelmuseingeweckt hat.“ Dieses ist der Hauptbestandteil der Füllung. Gewürze, Rosinen, Orangeat und Zitronat kommen dazu, außerdem etwas Kakao für die Farbe und Zimt: „Aber geradeso viel, dass man überlegt: Was war das für ein Geschmack?“, verrät Willibald Weißgerber mit einem verschmitzten Lächeln. Natürlich hat jede Bäckerei ihr eigenes Rezept und alle Geheimnisse werden nicht offenbart.

Süßes Glaubensbekenntnis 

Auch beim Deckel gibt es Unterschiede. Mancherorts wird die Torte nur mit Teigstreifenbelegt – das gilt als die „katholische“ Variante. In evangelischen Gemeinden war der Deckel geschlossen und mit Mustern verziert. Heute wird es aber nicht mehr so eng gesehen, wenn ein Katholik wie Willibald Weißgerber die evangelische Variante herstellt. Dabei stammt er sogar aus dem katholischen Wallfahrtsort Wemding am Rand des Rieskraters. Dort führte der „Uri-Opa“, wie Lena Scherer ihn liebevoll nennt, ebenfalls seine Bäckerei, die Willibald Weißgerbers älterer Bruder erbte. Er selbst übernahm 1971 die Bäckerei in Wallerstein und hatte das Glück, dass seine Tochter und später die Enkelin in seine Fußstapfen traten, obwohl beide zunächst einen anderen Beruf lernten. „Es war wichtig, erstmal rauszugehen“, findet Letztere. Dabei habe sie gemerkt: „Eigentlich ist mein Herz in der Bäckerei.“ Den Meisterbrief hat sie längst in der Tasche, zusätzlich schloss sie noch eine Ausbildung zur Bürokauffrau ab.

Das Ries gilt als eine der Kornkammern Bayerns, eigentlich beste Bedingungen für das Bäckerhandwerk. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich aber auch viel verändert. „Früher gab es in Wallerstein acht Bäckereien. Jetzt sind wir die einzige“, erzählt Lena Scherer. Regionalität ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Das Mehlkommt von einem regionalen Müller, viele andere Zutaten von Betrieben in der Nähe. Der Metzger, der die Wurstwaren für die belegten Brote und Frühstücksangebote im Bäckerei-Café liefert, ist nur ein paar Häuser weiter. Die Rezepte sind, abgesehen von ein paar Neuzugängen im Sortiment, dieselben geblieben, wie die Bäckerin betont: „Wir machen alles so wie vor 50 Jahren.“ Das Erbe der Familie weiterzutragen ist ihr wichtig. Vielleicht geht es ihrem Sohn Willi, der 2022 geboren wurde, einmal genauso. Bis dahin werden aber noch viele Rieser Bauerntorte über die Ladentheke gehen.